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Von Daniela Scholer, David Scholer | Aktualisiert am 13. Mai 2024

Von Schlaftraining für Babys rate ich ab, da es schädlich für dein Kind sein kann. Welche Alternativen es gibt, erfährst du in diesem Beitrag.

Falls du dennoch Schlaftraining bei deinem Kind anwenden möchtest, dann solltest du dich zuerst gründlich mit dem Thema auseinandersetzen.

Möchtest du zunächst verstehen, was Schlaftraining ist? Dann findest du hier weitere Informationen. Wenn dir dies zu zeitaufwendig ist, dann kann eine Schlafberatung eine zeitsparende und vor allem bedürfnisorientierte Alternative sein.

Die Schlafberatung ist der beste und sicherste Weg für dich und dein Kind. Dabei kannst du nichts falsch machen. Gemeinsam schauen wir, was für euch individuell die passende Lösung ist.

Die Nachteile von Schlaftraining

Kritik am Schlaftraining für Babys & Kinder

Das Wichtigste in Kürze:

  • Eine biologische Begründung für Schlaftraining fehlt
  • Das Selbstwertgefühl des Kindes wird durch Schlaftraining gestört.

  • Schlaftraining verunsichert das Kind

  • Babys haben kein Zeitgefühl

  • Das Schreienlassen kann Folgen von Angst und Stress verursachen

  • Schlaftraining schädigt das Vertrauen in Bezugspersonen

  • Es zerstört das Urvertrauen des Kindes

  • Schlaftraining verursacht Schuldgefühle bei den Eltern

8 Gründe, warum Schlaftraining für dein Baby schlecht ist

1. Fehlende Biologische Begründung

Bei den meisten Schlaftrainingsmethoden werden die biologischen Ursachen für Schlafstörungen ignoriert. Das Kind wird zum Schlafen „trainiert“ und den elterlichen Erwartungen oder Bedürfnissen „angepasst“.

Auf die Ursachen für sein Verhalten wird dabei wenig geachtet.

Etwa, dass Neugeborene noch keinen etablierten zirkadianen Rhythmus haben. Ein anderer biologischer Grund ist der hohe Anteil an REM-Schlaf (Rapid Eye Movement-Schlaf, bzw. Leichter schlaf, also Gegenpart vom Tiefschlaf) bei Neugeborenen, welcher häufiges Aufwachen begünstigt. Ebenfalls wichtig sind die kurzen Schlafzyklen, welche bei Babys etwa halb so lang dauern wie beim Erwachsenen.

Schlaf und Entwicklung sind stark miteinander verbunden. Der REM-Schlaf beispielsweise ist sehr wichtig für die Entwicklung des zentralen Nervensystems. Dass die Schlafphasen bei Neugeborenen und Babys zu ca. 50% aus REM-Schlaf bestehen ist von der Natur so vorgesehen. Häufiges Aufwachen ist demnach natürlich. Hier mit Schlaftraining-Methoden einzugreifen, widerspricht der Natur. [1]

Wird das Verhältnis zwischen REM- und Non-REM gestört, z.B. durch Schlaftraining, dann kann dies negative Folgen auf die Gehirnentwicklung haben. [2]

Weitere Informationen zu biologischen Ursachen, die sich auf den Babyschlaf auswirken findest du hier.

2. Das Selbstwertgefühl des Kindes wird gestört

Beim Schlaftraining kann ein Kind Trennungsangst empfinden und die Beziehung zu den Eltern wird negativ beeinflusst. Das Kind lernt möglicherweise seine Gefühle nicht auszudrücken und auf sich selbst angewiesen zu sein.

Bei Kleinkindern und älteren Kindern können diese frühen Beziehungserfahrungen das spätere Vertrauen und Selbstwertgefühl des Kindes prägen. Während des Schlaftrainings können Kinder sich verlassen fühlen.

Sie haben Angst und fragen sich, ob sie gut genug sind, Trost verdienen oder etwas falsch machen. Solche Zweifel können das Selbstbild des Kindes negativ beeinflussen, weil es in hohem Maße auf die Anwesenheit und Unterstützung der Eltern angewiesen ist. [3]

Kinder sind soziale Wesen und wollen eine positive Beziehung zu ihren Eltern aufrechterhalten. Sie suchen die Schuld eher bei sich selbst als bei ihren geliebten Eltern.

3. Schlaftraining verunsichert dein Kind

Schlaftraining kann sich negativ auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind auswirken. Insbesondere wenn die Eltern im Alltag normalerweise auf die Signale des Kindes reagieren. Wenn das Kind tagsüber weint, dann wird es im Regelfall in den Arm genommen und getröstet. Verhalten sich die Eltern nachts plötzlich ganz anders und lassen das Kind schreien, dann kann dies das Kind stark verunsichern.

Das Kind fragt sich vielleicht, warum es tagsüber liebevoll von seinen Eltern in den Arm genommen und getröstet wird, aber nachts niemand da ist, um ihm zu helfen.

4. Babys und jüngere Kinder haben kein Zeitgefühl

Das Zeitgefühl von Kindern ähnelt jenem eines Erwachsenen erst ab einem Alter von 8 bis 10 Jahren. Kleine Kinder haben noch kein Zeitgefühl. Lässt man sie selbst nur kurze Momente von 4-6 Minuten allein, so können ihnen diese Minuten wie Stunden erscheinen. Dies erzeugt beim Kind enormen Stress und schafft große Ängste, was für die Eltern-Kind-Beziehung nicht förderlich ist.

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5. Folgen von Angst und Stress durch Schreienlassen

Wenn ein Baby schreit und seine Bezugspersonen nicht sofort reagieren, erlebt es enormen Stress. Das Schreien löst Angst aus, weil das Gehirn des Babys bereits stark aktiv ist und Emotionen sowie grundlegende Bedürfnisse verarbeitet.

Babys müssen laut weinen, um auf ihre Notlagen und Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Kinder, die längeres Schreien erfahren, schalten in einen Überlebensmodus um, ähnlich dem Totstellreflex bei Tieren. Dieses Notfallprogramm beeinträchtigt die Gehirnentwicklung und das Baby lernt schwer, mit Stress umzugehen.

Wenn das Baby verstummt, ist es nicht eingeschlafen, sondern befindet sich in einem erstarrten Zustand mit hohem Stresslevel. Das Baby hat kein Gefühl für Zeit und schreit länger, wenn es ignoriert wird. Studien zeigen, dass Babys, die kontinuierlich auf ihre Bedürfnisse reagiert bekommen, insgesamt weniger schreien.

Ein Baby, das weint und keine Reaktion erhält, wird immer länger weinen, bis es in Panik gerät. Die Stressregulation des Babys wird überfordert, und es erlebt Todesangst und Panik. Das Baby reagiert entweder durch Erstarren oder schlaffe Erschöpfung. Beide Reaktionen sind nicht förderlich für die Entwicklung einer sicheren Bindung.

6. Schlaftraining für Babys schädigt das Vertrauen in ihre Bezugspersonen

Wenn das Baby das Vertrauen verliert, dass jemand auf sein Schreien reagiert, kann das langfristige Auswirkungen haben, die ihm nicht guttun. Wenn die Eltern nicht auf sein Weinen eingehen, lernt es nicht, wie es einschlafen kann, sondern es fühlt sich so, als ob seine Bedürfnisse ignoriert werden und dass niemand darauf achtet.

Diese Situation ist sehr schwierig für ein kleines Baby, denn es möchte doch nur geliebt und umsorgt werden. Es ist wichtig, dass seine Eltern da sind und auf seine Bedürfnisse eingehen, um ihm das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu geben.

7. Schlaftraining beim Baby kann sein Urvertrauen zerstören

Das Urvertrauen ist der Grundstein für eine emotional stabile Persönlichkeit und eine positive Grundeinstellung zum Leben. Das Urvertrauen wird im ersten Lebensjahr gebildet.

Ein frisch geborenes Baby ist zu Beginn seines Lebens sehr hilflos. Es benötigt den Schutz, die Liebe und Geborgenheit seiner Eltern, um sich gut zu entwickeln. Wenn das Baby in den ersten Lebensmonaten diese wichtige Sicherheit, Wertschätzung und Liebe von seinen Eltern erfährt, wächst sein Vertrauen in die Eltern und ins Leben.

Diese positive Erfahrung stärkt die innere Sicherheit und das Selbstvertrauen des Kindes. Es entwickelt ein Urvertrauen, welches durch ein positives Grundgefühl und Vertrauen in sich selbst, die Umgebung und das Leben geprägt sind. Das Urvertrauen ist während seines ganzen Lebens Teil seiner Persönlichkeit. [3]

Bindungsforscher sehen einen Zusammenhang zwischen Schlaftraining und tiefgreifenden Problemen in der Beziehung zwischen Eltern und Kind. Probleme, die das Selbstwertgefühl beeinflussen und dazu führen können, dass das Urvertrauen nicht entwickelt wird. Diese Auswirkungen haben negative Konsequenzen für das gesamte Leben.

8. Schlaftraining für Babys kann Schuldgefühle bei der Mutter auslösen

Wenn eine Mutter nicht angemessen auf die Bedürfnisse ihres Kindes reagiert, kann im Laufe der Zeit eine Abstumpfung gegenüber den Signalen bzw. Bedürfnissen des Kindes auftreten.

Bei einige Schlaftraining-Programmen wird sogar geraten, das Training keinesfalls abzubrechen. Die Gefühle von Mutter und Kind sollen dabei ignoriert werden.

Dazu scheiben auch Renz-Polster und Imlau:

„Damit Schlaftrainings funktionieren, muss das Programm konsequent durchgehalten werden. Das setzt bei den Eltern voraus, dass sie ihrem Baby Empathie verweigern.“ [3]

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Es ist normal, dass in diesem Fall Schuldgefühle entstehen. Mütter empfinden oft Schuldgefühle, wenn sie Ratschläge von anderen befolgen, die im Konflikt mit ihrem eigenen Bauchgefühl stehen. [4]

Mögliche Langzeitfolgen von Schlaftraining

Die Rede ist klar von möglichen Langzeitfolgen. Langzeitstudien zum Thema Schlaftraining bei Babys gibt es keine. Weshalb, erfährst du weiter unten in diesem Artikel.

Es geht auch auf die sanfte Tour

Bessere Alternativen zum Schlaftraining für Kinder

Zuerst viel Geld für Schlafüberwachungsgeräte ausgeben. Penible Überwachung via Kamera, inklusive Monitoring der Atmung und Körpertemperatur. Dann das Baby am Abend allein in sein leeres Zimmer legen. In der Nacht mindestens zwei mal mit einem Puls von 180 ins Kinderzimmer hetzen – „ Oh Gott ich glaube, es atmet nicht mehr…“

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SIDS-Prävention schaut anders aus. Nämlich so:

Das Baby nicht allein lassen und auf eine harmonische Umgebung inklusive Körperkontakts achten. [5]

Herbert Renz-Polster und Nora Imlau führen in ihrem Buch folgende Alternativen an:

Co-Sleeping – Das Schlafen in der Nähe der Eltern

Co-Sleeping, oder das gemeinsame Schlafen, ist eine Schlafpraxis, bei der Babys und kleine Kinder entweder im selben Bett wie die Eltern oder zumindest im selben Zimmer schlafen. Diese Praxis ist tief in unserer Geschichte verwurzelt und spiegelt das natürliche Bedürfnis des Kindes nach Nähe und Sicherheit während der Nacht wider. Die Vorteile sind verbesserte Schlafqualität für Eltern und Kind, die Stärkung der Bindung, das Erleichtern des Stillens und die Unterstützung deines Babys bei der Entwicklung natürlicher Schlafzyklen.

Co-Sleeping ist eine sehr individuelle Entscheidung und sollte auf die Bedürfnisse und die Situation jeder Familie zugeschnitten sein.

Der bedürfnisorientierte Ansatz

Die Bedürfnisse deines Babys stehen hier im Mittelpunkt. Du achtest auf die individuellen Bedürfnisse und Signale von deinem Baby. Das heißt, du ermutigst dein Kind zum Schlafen, wenn du das Gefühl hast, dass es müde ist. Wenn es nachts aufwacht oder sich während des Schlafs beschwert, dann beruhigst du es oder stillst es.

Eine positive Schlafumgebung schaffen

  • Sichere Schlafumgebung

  • Ruhige Schlafumgebung

  • Angenehme Raumtemperatur

  • Routinen vor dem Schlafengehen (Lesen von Geschichten oder sanfte Musik)

  • Emotionale Nähe

„Häufig reichen bereits kleine Veränderungen für einen besseren Familienschlaf. Eine Beratung genügt oft schon.“

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Welches Baby würde wohl so schlafen wollen, wenn es mitbestimmen könnte?

Übermäßiges Weinenlassen vermeiden

Anstatt das Kind „schreien zu lassen“ (eine häufige Methode bei einigen Schlaftrainingsansätzen), ist es sinnvoller, auf das Weinen des Kindes zu reagieren, um ihm Sicherheit und Trost zu bieten. Dies hilft, das Vertrauen und die Bindung zwischen Eltern und Kind zu stärken. [3]

Detaillierte Informationen zu Alternativen und Lösungsansätzen bei Schlafproblemen bieten auch Schlafberatung oder Onlinekurs zum Thema Babyschlaf.

Denn man kann es nicht oft genug betonen. Allein wenn Mutter oder Vater einige wichtige Aspekte in Bezug auf die Schlafentwicklung kennen, können sie bereits für einige Entspannung beim Thema Schlaf sorgen.

Kein Baby muss das Schlafen lernen

Wenn du den Babyschlaf verstehst, brauchst du kein Schlaftraining

Dass du kein Schlaftraining brauchst, wenn du den Babyschlaf verstehst, ist nur die halbe Wahrheit.

Vielmehr – wenn du den Babyschlaf verstehst, dann würdest du dich (persönliche Einschätzung) niemals für Schlaftraining entscheiden.

Schlaftraining für Kinder ist gegen die Natur

In der Geschichte der Menschheit war das gemeinsame Schlafen eine Notwendigkeit, um das Überleben des Nachwuchses zu sichern. Oft wird der gemeingefährliche Säbelzahntiger erwähnt, der sich das Baby schnappt. Co-Sleeping ist also die natürliche Form.

Innerhalb des ersten Lebensjahres wird sich das Gehirn des Babys verdoppeln. Das erste Lebensjahr und die Folgejahre sind jene Jahre, in denen ein Mensch am meisten schläft. In dieser Zeit entwickelt sich das Gehirn sehr schnell weiter, wobei der REM-Schlaf den größten Teil einnimmt. Was (nicht nur) während dieser Zeit im kleinen Köpfchen alles abgeht ist ein biologisches Meisterwerk.

Wie bereits oben erwähnt, gilt Stillen als ein wichtiger Präventionsfaktor bezüglich SIDS. Die genauen Ursachen von SIDS sind noch immer nicht zur Gänze erforscht. Man geht von mehreren Faktoren aus, die zusammenspielen können, aber nicht müssen.

Ein Faktor ist die Atmung. Sears spricht von einer ungenügenden Empfindlichkeit der Chemorezeptoren – das Baby atmet nicht, wenn es nötig wäre. Ebenfalls erwähnt wird eine ungenügende Aufwachreaktion des Nervensystems auf Atmungsprobleme. Sears bezieht sich hier auf gefährdete Kinder. In den ersten Monaten ihres Lebens durchlaufen Babys oft Schlafphasen, in denen sie vom tiefen (NON-REM) in den leichten Schlaf (REM) und zurück gleiten. Diese Aufwachmomente sind möglicherweise entscheidend für Babys, die Probleme beim Atmen haben. Wachen diese Kinder weniger häufig auf, könnte das ihre Gefahr erhöhen, am plötzlichen Kindstod (SIDS) zu sterben. Schlaftraining mit dem Ziel das Baby zum Durchschlafen zu bringen wäre also auch in diesem Kontext nicht ratsam.

„Wenn SIDS mir einer ungenügenden Aufwachreaktion zusammenhänge, folgt daraus, dass die Natur nicht vorgesehen hat, dass Babys nachts durchschlafen, bis sie reif genug sind, um dies ohne Atmungsprobleme zu tun.“ [4]

Weitere Informationen zu SIDS und vielen anderen Kindernotfällen erfährst du auch in meinem Erste Hilfe Kurs Baby und Kleinkind.

Die Schlafentwicklung erklärt vieles

  • Durch(schlafen) ist ein Reifungsprozess. Man kann es nicht antrainieren.

  • Schlafen ist ein Entwicklungsprozess, der bei jedem Kind unterschiedlich lang dauert.

  • Schlafzyklen bei Erwachsenen dauern ca. 90-120 Minuten, bei Babys um die 40-60 Minuten.

  • Schlafzyklen bestehen aus REM- und Non-REM-Phasen. Bei Säuglingen ist der Anteil der REM-Phasen wesentlich höher als bei Erwachsenen. Die erhöhte Anzahl von Schlafzyklen und der höhere Anteil an REM-Phasen fördern das häufige Aufwachen.

  • Der zirkadiane Rhythmus und die Schlafdauer sind genetisch vorgegeben. Morgenmuffel bleibt ein Morgenmuffel, ein Frühaufsteher bleibt ein Frühaufsteher. Die Ausprägung ist allerdings individuell unterschiedlich.

Ein klares NEIN!

Das sagen anerkannte Forscher

Bei den folgenden Zitat-Ausschnitten beziehen wir uns direkt auf die Broschüre „Kinder brauchen uns auch nachts“ von Sibylle Lüpold von 1001Kindernacht. Diese Broschüre enthält 20 Expertenmeinungen gegen Schlaftrainings und ist sehr empfehlenswert. [6]

Prof. Dr. Klaus E. Grossmann, Bindungsforscher, Universität Regensburg:

„Je häufiger und länger ein Säugling ungetröstet schreien muss, umso schneller verbreitet sich Cortisol im Gehirn und umso niedriger wird die Schwelle der Stresstoleranz. Solche Kinder hören auch irgendwann auf zu weinen, aber eher aus Erschöpfung und Resignation. Sie lernen nicht, sich an Stelle des Weines differenzierter und auf wesentlich erfreulichere Weise mitzuteilen. Weinen ist ein Notsignal, das die Natur so intensiv ausgestaltet hat, damit wir Erwachsenen uns nicht daran gewöhnen und uns um die Kinder kümmern. Es bedeutet naturgeschichtlich: Hilfe, wenn keiner kommt, muss ich sterben.“

Dr. med. William Sears, Kinderarzt, Kalifornien:

„Befürworter der harten Methode bringen oft
als weiteres Argument, das Baby müsse lernen zu schlafen. Mit dem Nichtreagieren auf das Weinen lehren Sie aber das Kind nicht zu schlafen, sondern Sie bringen ihm nur bei, dass sein Weinen keinen Kommunikationswert hat. Wenn darauf nicht reagiert wird, schläft es zwar vielleicht von allein wieder ein, doch ist dies nur ein Rückzug der Enttäuschung darüber, dass sein Signal nicht beachtet wird, es gibt auf. Ich habe grosse Mühe mit dieser Haltung: Das ist nächtliche Dressur, nicht nächtliche Kinderbetreuung. Wir können Haustiere dressieren, nicht aber Kinder.“

Dr. med. Caroline Benz, Prof. Dr. med. Remo Largo:

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kinder und Eltern mit dem kontrollierten Schreienlassen nach Ferber häufig überfordert sind. Die Kinder haben sich während Monaten an die Anwesenheit und die Hilfe der Eltern beim Einschlafen gewöhnt und reagieren erwartungsgemäss verängstigt. Die Eltern wiederum sind mit diesen für sie unerwartet heftigen Reaktionen überfordert und brechen die Massnahme ab. Bevor ein verhaltenstherapeutisches Vorgehen gewählt wird, sollte klar sein, dass der Grund des Schlafproblems des Kindes nicht darin liegt, dass seine innere Uhr noch nicht eingestellt ist oder sein Schlafbedarf überschätzt wird.“

3 gängige Methoden

Was versteht man unter Schlaftraining für Kinder?

Wie viele Schlaftraining-Methoden es tatsächlich gibt, ist schwer zu sagen. Es dürfte auch Mischformen zwischen den unterschiedlichen Methoden geben. Sicherlich sind auch nicht alle potentiell gleich schädlich.

Studien über die unterschiedlichen Methoden gibt es keine. Zumindest keine aussagekräftigen. Informationen dazu findet man also am ehesten in Ratgebern und im Internet. Es scheint auch kulturell große Unterschiede zu geben; beispielsweise ist das Thema Schlaftraining in den USA viel populärer als in Deutschland oder Österreich. Dies belegen u.a. Daten zu Suchmaschineneingaben, wie z.B. Google.

Nach einem kurzen Screening auf US-Internetseiten konnten wir zumindest 15 verschiedene Methoden finden. Es dürfte aber wohl wesentlich mehr Methoden geben. Methoden mit Bezeichnungen, wie Pick up put down, Chair, Calming bedtime routine, Cry it out, Richard Ferber, Put baby down awake, Bedtime fading, Sleep, Gentle methods, Check and console, Extinction, Fading, Time , Be consistent, Try.

 

Schlaftraining für Kinder bezieht sich auf Methoden und Techniken, die darauf abzielen, Kindern beizubringen, selbstständig einzuschlafen und durchzuschlafen. Hier sind die 3, bei uns bekanntesten Methoden angeführt.

1. Die Ferber Methode – das Ferbern

Dr. Richard Ferber ist ein amerikanischer Kinderarzt und Direktor des Zentrums für Kinder-Schlafstörungen am Kinderkrankenhaus in Boston. Er ist vor allem bekannt für seine Veröffentlichungen in den 80ern zum Thema Schlaftraining bei Kindern, insbesondere durch sein Buch „Solve Your Child’s Sleep Problems“.

Die von Dr. Ferber entwickelte Methode, oft als „Ferber-Methode“ oder „progressives Warten“ bekannt, zielt darauf ab Kindern beizubringen selbstständig einzuschlafen.

Die Eltern legen das Kind müde, aber wach ins Bett, verlassen das Zimmer und lassen das Kind für festgelegte, zunehmend längere Zeiträume (schreiend) allein. Bevor sie zur Beruhigung kurz zurückkehren. Dies soll das Kind ermutigen, ohne elterliche Hilfe einzuschlafen und nach nächtlichem Erwachen selbst wieder in den Schlaf zu finden. [4]

Das Vorgehen kann emotional sehr belastend für das Kind sein und zudem die Entwicklung einer sicheren Beziehung zu den Eltern negativ beeinflussen.

Ferber hat später am 08.11.1999 in einem Interview mit John Seabrook einige seiner Aussagen teilweise widerrufen:

“I wish I hadn’t written those sentences. That came out of some of the existing literature. It is a blanket statement that is just not right.“ [7]

2. Cry-it-out Methode – das kontrollierte Schreien lassen

Noch härter als das Ferbern ist die Cry-it-out-Methode, bei der Kinder über lange Zeiträume allein schreien gelassen werden. Diese Methoden werden angewendet, bis das Kind die neuen Bedingungen akzeptiert. Oft muss das Training mehrmals wiederholt werden, da Kinder bei neuen Entwicklungsschritten vermehrt Nähe einfordern können. In einigen Fällen werden unruhige Kinder sogar im Kinderzimmer eingeschlossen, um sie im Bett zu halten.

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3. No-Cry Methode

Die No-Cry Methode gehört zu den sanften Schlaftraining-Methoden. Dabei wird versucht möglichst Tränen bzw. Schreien zu vermeiden. Dies indem auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen wird und. Tipps lauten etwa so „Schaffen Sie eine angenehme Schlafumgebung; reagieren Sie nicht auf jedes Geräusch, das ihr Kind macht; seien Sie konsequent; nehmen Sie Änderungen langsam vor; befolgen Sie eine beruhigende Schlafenszeitroutine; entwickeln Sie einige „Schlüsselwörter“.

Nur, das Ziel ist das gleiche, wie beim Ferbern oder bei der Cry-it-out Methode. Nämlich eine Verhaltensänderung beim Kind in einer hochsensiblen Entwicklungsphase.

Nora Imlau stellt in einem Blogartikel die Frage, ob es überhaupt ein sanftes Schlaftraining gibt. Sie schreibt, die klassischen Schlaflernprogramme kommen aus der Mode und werden durch so genannte Schlafcoaches ersetzt „die sich explizit sanfte, liebevolle, bindungsorientierte Methoden auf die Fahnen schreiben.“

Ihre Schlussfolgerung hat dann nix mehr mit Schäfchen zu tun, sondern vielmehr mit dem bösen Wolf:

„Hinter diesen Angeboten verbirgt sich häufig der Wolf im Schafspelz. Denn auch Abwandlungen des klassischen Ferber-Programms sind immer noch verhaltenstherapeutische Maßnahmen, die zum Ziel haben, Babys und Kleinkindern ihre angeborenen Schlafbedürfnisse abzutrainieren.“[8]

Und nun zur letzten großen Frage in diesem Beitrag.

Experten warnen schon seit vielen Jahren vor den möglichen Folgen von Schlaftraining. Trotzdem besteht immer noch Nachfrage.

Wenn Schlaftraining für Babys schlecht ist…

Warum gibt es denn immer noch Befürworter?

Wieso es immer noch Befürworter gibt, hat zwei Hauptgründe.

  • Bei vielen Kindern wird das von den Eltern kurzfristig angestrebte Ziel erreicht – die Kinder schlafen allein ein.
  •  Aus wissenschaftlicher Sicht können die oben angebrachten Kritikpunkte nicht mittels valider Studien belegt werden. Mehr dazu unten.

Mit validen Fakten könnte man für Klarheit sorgen. D. h. mit Studien, die die Nachteile von Schlaftraining schwarz auf weiß anhand aussagekräftiger Daten belegen. Dies wäre schön.

Es ist jedoch äußerst schwierig, praktisch sogar eher unmöglich. Warum?

Wir haben uns einige Gedanken zu diesem Thema gemacht. Gedanken, die das Problem gut umreißen.

Aussagekräftige Studien sind praktisch unmöglich

Die meisten Studien zum Thema Schlaftraining dürften bereits an der ersten Hürde scheitern. Nämlich an einer fehlenden befürwortenden Stellungnahme einer zuständigen Ethikkomission.

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Welche Ethikkommission würde eine Studie zulassen?

Klinische Studien am Menschen dürfen zum Glück nicht einfach so durchgeführt werden, sondern benötigen ein positives Votum, sprich das OK, von einer Ethikkommission. Ziel dieses Votums ist es sicherzustellen, dass die Rechte, das Wohlergehen und die Sicherheit der Studienteilnehmer gewährleistet sind. Für eine Ablehnung können Bedenken schon ausreichen. Dies können z. B. Bedenken in Bezug auf methodische Schwächen oder hinsichtlich potenziell negativer Auswirkungen auf die Probanden sein. An und für sich ist dieser Punkt schon ausreichend, da die Studie vermutlich gar nicht erst durchgeführt werden darf. Aber es gibt noch weitere Gründe. Gründe, an denen sich ebenfalls die eine oder andere Ethikkommission stoßen würde.

Valide Studien scheitern bereits am Studiendesign

Herbert Renz-Polster befasst sich in seinem Blogbeitrag Sind Schlaftrainings unbedenklich? genauer mit einer australischen Studie zum Thema Kinderschlaf, welche 2016 erschienen ist. Hier wird eine Studie schön zerpflückt. Sehr lesenswert. [9]

Der Beitrag zeigt auch auf, mit welchen Stolperfallen klinische Studien zum Thema Schlaftraining konfrontiert sind. Eine Studie, die sich ernsthaft mit dem Thema Schlaftraining befasst und valide, wirklich belastbare Daten hervorbringen möchte, die trifft auf eine Menge Herausforderungen.

Schlafentwicklung des Kindes, Kultur seiner Familie, familiäre Situation, Schlafumgebung und viele weitere Faktoren beeinflussen den Schlaf von Babys. Eine homogene Gruppe von Studienkandidaten zu finden dürfte schwierig sein.

Die Anzahl der erforderlichen Probanden dürfte sehr groß sein. Immerhin gibt es viele Babys auf diesem Planeten, die vor allem im ersten Jahr für unruhige Nächte sorgen. Ein paar Hundert Babys dürften wohl kaum ausreichen um belastbare Ergebnisse zu erhalten.

Per Zufallsprinzip wird entschieden, welches Kind am Schlaftrainingprogramm teilnimmt und welches ein Placebo-Training macht. Gegner von Schlaftraining-Programmen werden sich schwer für eine solche Studie hinreißen lassen.

Folglich werden überwiegend Befürworter teilnehmen. Sofern von Eltern auszufüllende Bewertungsfragebogen zum Einsatz kommen, hätten wir bereits ein Bias. Eltern, die Schlaftraining per se befürworten könnten eher dazu neigen Erfolge zu übertreiben oder Misserfolge herunterzuspielen.

Das Studienprotokoll muss von den Eltern strikt eingehalten werden. Verstoßen Eltern gegen die Compliance, also gegen die Einhaltung der vorgegebenen Studienanweisungen, dann müsste ihr Kind aus der Studie rausfallen.

Nun, wer wird dies bei den Eltern zuhause kontrollieren?

Wäre eines der Studienziele mögliche Bindungsprobleme in Bezug auf Schlaftraining zu untersuchen, dann wären Langzeit-Ergebnisse erforderlich. Studienteilnehmer (bei Eintritt in die Studie noch Babys) wären viele Jahre später (definitiv viel mehr als 5) gefordert Auskunft über ihr intimstes Privatleben preiszugeben. Sie haben sich nie für die Studie entschieden – sondern ihre Eltern. Fraglich, wie viele Studienteilnehmer 20 Jahre später noch an der Studie teilnehmen würden.

Dies sind nur einige sehr offensichtliche Herausforderungen. Beim Erstellen des Studienprotokolls dürften sich noch viele weitere ergeben.

Doch auch trotz fehlender valider Studien dürfte klar sein, dass Schlaftraining-Programme nicht die beste Wahl sind. Man mag an Hausverstand und an die emotionale Intelligenz verweisen. Oder sich auf die vielen anerkannten Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen beziehen, welche unbestreitbare Argumente gegen Schlaftrainings liefern.

Studien hin oder her. Es gibt sanftere und bessere Methoden.

Es gibt sanftere Lösungen, die langfristig besser sind.

Fazit

Aus obigen Gründen lehnen wir Schlaftraining ganz klar ab. Sie mögen kurzfristig funktionieren. Der Preis dafür ist jedoch sehr hoch. Herbert Renz-Polster und Nora Imlau haben es in ihrem Buch „Schlaf gut, Baby!: Der sanfte Weg zu ruhigen Nächten“ ganz gut auf den Punkt gebracht:

„Bedürfnisorientierte Elternschaft heißt, heute nach Lösungen für unsere kurzfristigen Ziele zu suchen, die mit unserem langfristigen Anliegen in Einklang stehen. Anstatt unsere Kinder also harten Ein- und Durchschlaftrainings zu unterziehen, entscheiden wir uns lieber für sanfte Lösungen […].“[3]

Es ist Sache der Eltern, sich für oder gegen Schlaftrainingprogramme zu entscheiden.

Bevor du dich für ein Schlaftraining entscheidest, ist es jedoch sinnvoll sich über Schlaftraining und den kindlichen Schlaf zu informieren. Denn es gibt gute Alternativen.

Quellen:

[1]Wolfe K, Ralls FM. Rapid eye movement sleep and neuronal development. Curr Opin Pulm Med. 2019;25(6):555-560.

[2]Knoop MS, de Groot ER, Dudink J. Current ideas about the roles of rapid eye movement and non-rapid eye movement sleep in brain development. Acta Paediatr. 2021;110(1):36-44.

[3]Renz-Poster H., Imlau N. Schlaf gut Baby! Der sanfte Weg zu ruhigen Nächten. Gräfe und Unzer Verlag; 2016

[4]Sears W., Neuenschwander H. Schlafen und Wachen. Das Elternbuch für Kindernächte. La Leche League; 2018

[5]https://www.avomed.at/page.cfm?vpath=downloads, abgerufen am 27.04.2024

[6]https://www.1001kindernacht.ch/, abgerufen am 27.04.2024

[7]https://www.johnseabrook.com/sleeping-with-the-baby/, abgerufen am 27.04.2024

[8]https://www.nora-imlau.de/sanftes-schlaftraining-gibt-es-das/, abgerufen am 27.04.2024

[9]https://www.kinder-verstehen.de/mein-werk/blog/schlaftrainings-sind-unbedenklich/, abgerufen am 27.04.2024

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