Von Daniela Scholer, David Scholer | Aktualisiert am 13. Mai 2024
Möchtest du zunächst verstehen, was Schlaftraining ist? Dann findest du hier weitere Informationen. Wenn dir dies zu zeitaufwendig ist, dann kann eine Schlafberatung eine zeitsparende und vor allem bedürfnisorientierte Alternative sein.
Die Nachteile von Schlaftraining
Kritik am Schlaftraining für Babys & Kinder
Das Wichtigste in Kürze:
8 Gründe, warum Schlaftraining für dein Baby schlecht ist
1. Fehlende Biologische Begründung
Bei den meisten Schlaftrainingsmethoden werden die biologischen Ursachen für Schlafstörungen ignoriert. Das Kind wird zum Schlafen „trainiert“ und den elterlichen Erwartungen oder Bedürfnissen „angepasst“.
Auf die Ursachen für sein Verhalten wird dabei wenig geachtet.
Etwa, dass Neugeborene noch keinen etablierten zirkadianen Rhythmus haben. Ein anderer biologischer Grund ist der hohe Anteil an REM-Schlaf (Rapid Eye Movement-Schlaf, bzw. Leichter schlaf, also Gegenpart vom Tiefschlaf) bei Neugeborenen, welcher häufiges Aufwachen begünstigt. Ebenfalls wichtig sind die kurzen Schlafzyklen, welche bei Babys etwa halb so lang dauern wie beim Erwachsenen.
Weitere Informationen zu biologischen Ursachen, die sich auf den Babyschlaf auswirken findest du hier.
2. Das Selbstwertgefühl des Kindes wird gestört
Beim Schlaftraining kann ein Kind Trennungsangst empfinden und die Beziehung zu den Eltern wird negativ beeinflusst. Das Kind lernt möglicherweise seine Gefühle nicht auszudrücken und auf sich selbst angewiesen zu sein.
Bei Kleinkindern und älteren Kindern können diese frühen Beziehungserfahrungen das spätere Vertrauen und Selbstwertgefühl des Kindes prägen. Während des Schlaftrainings können Kinder sich verlassen fühlen.
Sie haben Angst und fragen sich, ob sie gut genug sind, Trost verdienen oder etwas falsch machen. Solche Zweifel können das Selbstbild des Kindes negativ beeinflussen, weil es in hohem Maße auf die Anwesenheit und Unterstützung der Eltern angewiesen ist. [3]
3. Schlaftraining verunsichert dein Kind
Schlaftraining kann sich negativ auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind auswirken. Insbesondere wenn die Eltern im Alltag normalerweise auf die Signale des Kindes reagieren. Wenn das Kind tagsüber weint, dann wird es im Regelfall in den Arm genommen und getröstet. Verhalten sich die Eltern nachts plötzlich ganz anders und lassen das Kind schreien, dann kann dies das Kind stark verunsichern.
4. Babys und jüngere Kinder haben kein Zeitgefühl
Das Zeitgefühl von Kindern ähnelt jenem eines Erwachsenen erst ab einem Alter von 8 bis 10 Jahren. Kleine Kinder haben noch kein Zeitgefühl. Lässt man sie selbst nur kurze Momente von 4-6 Minuten allein, so können ihnen diese Minuten wie Stunden erscheinen. Dies erzeugt beim Kind enormen Stress und schafft große Ängste, was für die Eltern-Kind-Beziehung nicht förderlich ist.
5. Folgen von Angst und Stress durch Schreienlassen
Wenn ein Baby schreit und seine Bezugspersonen nicht sofort reagieren, erlebt es enormen Stress. Das Schreien löst Angst aus, weil das Gehirn des Babys bereits stark aktiv ist und Emotionen sowie grundlegende Bedürfnisse verarbeitet.
Babys müssen laut weinen, um auf ihre Notlagen und Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Kinder, die längeres Schreien erfahren, schalten in einen Überlebensmodus um, ähnlich dem Totstellreflex bei Tieren. Dieses Notfallprogramm beeinträchtigt die Gehirnentwicklung und das Baby lernt schwer, mit Stress umzugehen.
Wenn das Baby verstummt, ist es nicht eingeschlafen, sondern befindet sich in einem erstarrten Zustand mit hohem Stresslevel. Das Baby hat kein Gefühl für Zeit und schreit länger, wenn es ignoriert wird. Studien zeigen, dass Babys, die kontinuierlich auf ihre Bedürfnisse reagiert bekommen, insgesamt weniger schreien.
6. Schlaftraining für Babys schädigt das Vertrauen in ihre Bezugspersonen
Wenn das Baby das Vertrauen verliert, dass jemand auf sein Schreien reagiert, kann das langfristige Auswirkungen haben, die ihm nicht guttun. Wenn die Eltern nicht auf sein Weinen eingehen, lernt es nicht, wie es einschlafen kann, sondern es fühlt sich so, als ob seine Bedürfnisse ignoriert werden und dass niemand darauf achtet.
Diese Situation ist sehr schwierig für ein kleines Baby, denn es möchte doch nur geliebt und umsorgt werden. Es ist wichtig, dass seine Eltern da sind und auf seine Bedürfnisse eingehen, um ihm das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu geben.
7. Schlaftraining beim Baby kann sein Urvertrauen zerstören
Das Urvertrauen ist der Grundstein für eine emotional stabile Persönlichkeit und eine positive Grundeinstellung zum Leben. Das Urvertrauen wird im ersten Lebensjahr gebildet.
Ein frisch geborenes Baby ist zu Beginn seines Lebens sehr hilflos. Es benötigt den Schutz, die Liebe und Geborgenheit seiner Eltern, um sich gut zu entwickeln. Wenn das Baby in den ersten Lebensmonaten diese wichtige Sicherheit, Wertschätzung und Liebe von seinen Eltern erfährt, wächst sein Vertrauen in die Eltern und ins Leben.
Diese positive Erfahrung stärkt die innere Sicherheit und das Selbstvertrauen des Kindes. Es entwickelt ein Urvertrauen, welches durch ein positives Grundgefühl und Vertrauen in sich selbst, die Umgebung und das Leben geprägt sind. Das Urvertrauen ist während seines ganzen Lebens Teil seiner Persönlichkeit. [3]
8. Schlaftraining für Babys kann Schuldgefühle bei der Mutter auslösen
Wenn eine Mutter nicht angemessen auf die Bedürfnisse ihres Kindes reagiert, kann im Laufe der Zeit eine Abstumpfung gegenüber den Signalen bzw. Bedürfnissen des Kindes auftreten.
Bei einige Schlaftraining-Programmen wird sogar geraten, das Training keinesfalls abzubrechen. Die Gefühle von Mutter und Kind sollen dabei ignoriert werden.
Dazu scheiben auch Renz-Polster und Imlau:
„Damit Schlaftrainings funktionieren, muss das Programm konsequent durchgehalten werden. Das setzt bei den Eltern voraus, dass sie ihrem Baby Empathie verweigern.“ [3]
Es ist normal, dass in diesem Fall Schuldgefühle entstehen. Mütter empfinden oft Schuldgefühle, wenn sie Ratschläge von anderen befolgen, die im Konflikt mit ihrem eigenen Bauchgefühl stehen. [4]
Es geht auch auf die sanfte Tour
Bessere Alternativen zum Schlaftraining für Kinder
Zuerst viel Geld für Schlafüberwachungsgeräte ausgeben. Penible Überwachung via Kamera, inklusive Monitoring der Atmung und Körpertemperatur. Dann das Baby am Abend allein in sein leeres Zimmer legen. In der Nacht mindestens zwei mal mit einem Puls von 180 ins Kinderzimmer hetzen – „ Oh Gott ich glaube, es atmet nicht mehr…“
SIDS-Prävention schaut anders aus. Nämlich so:
Das Baby nicht allein lassen und auf eine harmonische Umgebung inklusive Körperkontakts achten. [5]
Herbert Renz-Polster und Nora Imlau führen in ihrem Buch folgende Alternativen an:
Co-Sleeping – Das Schlafen in der Nähe der Eltern
Co-Sleeping, oder das gemeinsame Schlafen, ist eine Schlafpraxis, bei der Babys und kleine Kinder entweder im selben Bett wie die Eltern oder zumindest im selben Zimmer schlafen. Diese Praxis ist tief in unserer Geschichte verwurzelt und spiegelt das natürliche Bedürfnis des Kindes nach Nähe und Sicherheit während der Nacht wider. Die Vorteile sind verbesserte Schlafqualität für Eltern und Kind, die Stärkung der Bindung, das Erleichtern des Stillens und die Unterstützung deines Babys bei der Entwicklung natürlicher Schlafzyklen.
Co-Sleeping ist eine sehr individuelle Entscheidung und sollte auf die Bedürfnisse und die Situation jeder Familie zugeschnitten sein.
Der bedürfnisorientierte Ansatz
Die Bedürfnisse deines Babys stehen hier im Mittelpunkt. Du achtest auf die individuellen Bedürfnisse und Signale von deinem Baby. Das heißt, du ermutigst dein Kind zum Schlafen, wenn du das Gefühl hast, dass es müde ist. Wenn es nachts aufwacht oder sich während des Schlafs beschwert, dann beruhigst du es oder stillst es.
Eine positive Schlafumgebung schaffen
Welches Baby würde wohl so schlafen wollen, wenn es mitbestimmen könnte?
Übermäßiges Weinenlassen vermeiden
Anstatt das Kind „schreien zu lassen“ (eine häufige Methode bei einigen Schlaftrainingsansätzen), ist es sinnvoller, auf das Weinen des Kindes zu reagieren, um ihm Sicherheit und Trost zu bieten. Dies hilft, das Vertrauen und die Bindung zwischen Eltern und Kind zu stärken. [3]
Detaillierte Informationen zu Alternativen und Lösungsansätzen bei Schlafproblemen bieten auch Schlafberatung oder Onlinekurs zum Thema Babyschlaf.
Denn man kann es nicht oft genug betonen. Allein wenn Mutter oder Vater einige wichtige Aspekte in Bezug auf die Schlafentwicklung kennen, können sie bereits für einige Entspannung beim Thema Schlaf sorgen.
Ein klares NEIN!
Das sagen anerkannte Forscher
Bei den folgenden Zitat-Ausschnitten beziehen wir uns direkt auf die Broschüre „Kinder brauchen uns auch nachts“ von Sibylle Lüpold von 1001Kindernacht. Diese Broschüre enthält 20 Expertenmeinungen gegen Schlaftrainings und ist sehr empfehlenswert. [6]
3 gängige Methoden
Was versteht man unter Schlaftraining für Kinder?
Schlaftraining für Kinder bezieht sich auf Methoden und Techniken, die darauf abzielen, Kindern beizubringen, selbstständig einzuschlafen und durchzuschlafen. Hier sind die 3, bei uns bekanntesten Methoden angeführt.
1. Die Ferber Methode – das Ferbern
Dr. Richard Ferber ist ein amerikanischer Kinderarzt und Direktor des Zentrums für Kinder-Schlafstörungen am Kinderkrankenhaus in Boston. Er ist vor allem bekannt für seine Veröffentlichungen in den 80ern zum Thema Schlaftraining bei Kindern, insbesondere durch sein Buch „Solve Your Child’s Sleep Problems“.
Die von Dr. Ferber entwickelte Methode, oft als „Ferber-Methode“ oder „progressives Warten“ bekannt, zielt darauf ab Kindern beizubringen selbstständig einzuschlafen.
Die Eltern legen das Kind müde, aber wach ins Bett, verlassen das Zimmer und lassen das Kind für festgelegte, zunehmend längere Zeiträume (schreiend) allein. Bevor sie zur Beruhigung kurz zurückkehren. Dies soll das Kind ermutigen, ohne elterliche Hilfe einzuschlafen und nach nächtlichem Erwachen selbst wieder in den Schlaf zu finden. [4]
Das Vorgehen kann emotional sehr belastend für das Kind sein und zudem die Entwicklung einer sicheren Beziehung zu den Eltern negativ beeinflussen.
Ferber hat später am 08.11.1999 in einem Interview mit John Seabrook einige seiner Aussagen teilweise widerrufen:
“I wish I hadn’t written those sentences. That came out of some of the existing literature. It is a blanket statement that is just not right.“ [7]
2. Cry-it-out Methode – das kontrollierte Schreien lassen
Noch härter als das Ferbern ist die Cry-it-out-Methode, bei der Kinder über lange Zeiträume allein schreien gelassen werden. Diese Methoden werden angewendet, bis das Kind die neuen Bedingungen akzeptiert. Oft muss das Training mehrmals wiederholt werden, da Kinder bei neuen Entwicklungsschritten vermehrt Nähe einfordern können. In einigen Fällen werden unruhige Kinder sogar im Kinderzimmer eingeschlossen, um sie im Bett zu halten.
3. No-Cry Methode
Die No-Cry Methode gehört zu den sanften Schlaftraining-Methoden. Dabei wird versucht möglichst Tränen bzw. Schreien zu vermeiden. Dies indem auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen wird und. Tipps lauten etwa so „Schaffen Sie eine angenehme Schlafumgebung; reagieren Sie nicht auf jedes Geräusch, das ihr Kind macht; seien Sie konsequent; nehmen Sie Änderungen langsam vor; befolgen Sie eine beruhigende Schlafenszeitroutine; entwickeln Sie einige „Schlüsselwörter“.
Nur, das Ziel ist das gleiche, wie beim Ferbern oder bei der Cry-it-out Methode. Nämlich eine Verhaltensänderung beim Kind in einer hochsensiblen Entwicklungsphase.
Nora Imlau stellt in einem Blogartikel die Frage, ob es überhaupt ein sanftes Schlaftraining gibt. Sie schreibt, die klassischen Schlaflernprogramme kommen aus der Mode und werden durch so genannte Schlafcoaches ersetzt „die sich explizit sanfte, liebevolle, bindungsorientierte Methoden auf die Fahnen schreiben.“
Ihre Schlussfolgerung hat dann nix mehr mit Schäfchen zu tun, sondern vielmehr mit dem bösen Wolf:
„Hinter diesen Angeboten verbirgt sich häufig der Wolf im Schafspelz. Denn auch Abwandlungen des klassischen Ferber-Programms sind immer noch verhaltenstherapeutische Maßnahmen, die zum Ziel haben, Babys und Kleinkindern ihre angeborenen Schlafbedürfnisse abzutrainieren.“[8]
Und nun zur letzten großen Frage in diesem Beitrag.
Experten warnen schon seit vielen Jahren vor den möglichen Folgen von Schlaftraining. Trotzdem besteht immer noch Nachfrage.
Wieso es immer noch Befürworter gibt, hat zwei Hauptgründe.
Es gibt sanftere Lösungen, die langfristig besser sind.
Fazit
Aus obigen Gründen lehnen wir Schlaftraining ganz klar ab. Sie mögen kurzfristig funktionieren. Der Preis dafür ist jedoch sehr hoch. Herbert Renz-Polster und Nora Imlau haben es in ihrem Buch „Schlaf gut, Baby!: Der sanfte Weg zu ruhigen Nächten“ ganz gut auf den Punkt gebracht:
Es ist Sache der Eltern, sich für oder gegen Schlaftrainingprogramme zu entscheiden.
Bevor du dich für ein Schlaftraining entscheidest, ist es jedoch sinnvoll sich über Schlaftraining und den kindlichen Schlaf zu informieren. Denn es gibt gute Alternativen.
Quellen:
Gerne darfst du diesen Beitrag an deine Freunde weiterleiten.
Vielen Dank!