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Daniela & David Scholer | Zuletzt aktualisiert: 05. Mai 2023

8 Min. Lesedauer

Das Thema “Künstliche Intelligenz” ist seit Beginn dieses Jahres allgegenwärtig. Arbeitsschritte, die vorher Stunden an Zeit gekostet haben, können dank ihr innerhalb von Minuten erledigt werden. In der Tat sind die Ergebnisse oft erschreckend und die langfristigen Folgen noch nicht einzuschätzen. Führende Forscher fordern deswegen bereits gesetzliche Regularien, um Künstliche Intelligenz (KI) im Bann zu halten. Auch wird davor gewarnt, KI könne zukünftig viele Jobs ersetzen.

Aus diesem Grund haben wir uns mit folgender Frage beschäftigt: “Kann Künstliche Intelligenz eine Stillberatung ersetzen?“ Hierbei beziehen wir uns auf Künstliche Intelligenz in Form von Chatbots, wie zum Beispiel Chat GPT.

Warum Mütter bei Stillproblemen auf Künstliche Intelligenz setzen

Die Frage mag vielen absurd erscheinen. Ist sie jedoch nicht. Das Thema der Künstlichen Intelligenz ist in der Medizin voll angekommen. Allein für das Jahr 2022 findet man bei der Suche nach “Artificial Intelligence” in Pubmed über 38.000 Ergebnisse. Das Thema ist auch in der Medizin sehr populär. Es ist also naheliegend, dass Mütter bei Stillproblemen auch auf KI Tools zurückgreifen.

Was sind die Beweggründe?

Die Informationsbeschaffung, beispielsweise als Alternative oder Ergänzung zu Google, mag ein Grund sein. Daneben gibt es noch andere mögliche Gründe:

  • Eine KI ist 24/7 verfügbar. Und dies überall, wo es einen Internetzugang gibt.
  • Fehlendes Wissen über die Beratungsmöglichkeiten einer persönlichen Stillberatung.
  • Einige Mütter mit Stillproblemen mögen es vielleicht bevorzugen, anonym zu bleiben.
  • Fehlende Beratungsangebote, z.B. in entlegenen Gegenden.
  • Die Kosten einer Stillberatung mag die Entscheidung zugunsten KI beeinflussen.
  • Künstliche Intelligenz liefert sofort Antworten auf Fragen, die Mutter muss nicht warten.

Darüber hinaus gibt es sicherlich noch weitere individuelle Beweggründe.

Es macht also Sinn, sich genauer mit dem Thema zu befassen. Vor allem aber ist die Auseinandersetzung mit dem Thema auch deshalb wichtig, da KI als Ersatz für eine Stillberatung gefährlich sein kann.

Die Vorteile Künstlicher Intelligenz bei Stillproblemen

Die Vorteile Künstlicher Intelligenz bei Stillproblemen beschränken sich vor allem auf die Informationsbeschaffung. Und zwar nur dann, wenn wir Künstliche Intelligenz mit einer Internetsuchmaschine vergleichen. Soweit wir derzeit eruieren können, gibt es im Vergleich mit einer qualifizierten und erfahrenen IBCLC-Stillberatung kaum Vorteile. Insbesondere, wenn man das mittelfristige Ergebnis mit einbezieht.

Als Quelle der Informationsbeschaffung sollte Künstliche Intelligenz jedoch nicht unterschätzt werden. Hier liefert sie auch zum Teil erschreckend gute Informationen und Antworten. Wir haben Chat GPT im Selbsttest mit einigen spezifischen Fragen gefüttert und waren verblüfft. Und dies macht KI so gefährlich.

Man glaubt dem Chatbot bzw. der KI ohne sie zu hinterfragen. Dabei kann dies gegebenenfalls wirklich gefährlich sein.

Die Vorteile einer persönlichen Beratung bei Stillproblemen

Stillen ist ein individueller und emotionaler Prozess. Stillen wird von vielen Faktoren beeinflusst, wie z.B. der Anatomie der Brust, des Mundes des Kindes, der Milchproduktion der Mutter und dem individuellen Stillverhalten des Kindes. Zusätzlich erfordert Stillen eine gewisse körperliche Nähe und Berührung zwischen Mutter und Kind, um eine erfolgreiche Stillbeziehung aufzubauen. Hierfür können unter Umständen verschiedene Stillpositionen und Stilltechniken erforderlich sein. Diese Art der praktischen Unterstützung kann KI nicht erfüllen.

Bei Stillproblemen spielt die Beziehung zwischen der Mutter und dem Kind, aber auch die Beziehung zwischen der Stillberaterin und der Mutter eine wichtige Rolle. Vertrauen und Sympathie sind wichtig. Dies hilft beim Aufbau einer persönlichen Beziehung zwischen Stillberaterin und Mutter/Kind. Auch hier kann KI unmöglich mithalten.

Daneben müssen Stillberaterinnen in der Lage sein, individuelle Lösungen anzubieten, die für Mutter und Kind funktionieren. Diese Lösungen können wiederum eng mit spezifischen Bedürfnissen von Mutter und Kind verbunden sein. Auch können unvorhergesehene Herausforderungen auftreten. Für einen Chatbot oder KI ist dies nicht machbar.

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Emotionen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle beim Stillen. Stillprobleme führen häufig zu Unsicherheit, Angst, Schmerzen oder Frust. Hier ist eine persönliche Beziehung zu einer Stillberaterin essentiell. Denn nur diese kann eine persönliche Beziehung aufbauen und mit der Mutter deren Ängste und Sorgen besprechen, ihr Selbstvertrauen stärken und bei der Lösung komplexer Stillprobleme helfen. Die emotionalen Herausforderungen und Bedürfnisse einer Mutter verstehen, kann KI nicht.

Stillprobleme können komplex sein und verschiedene Ursachen haben. Sie erfordern eine sorgfältige Anamnese und individuelle Lösungen. Um mit diesen Herausforderungen umgehen zu können, sind ein hohes Maß an Empathie, Erfahrung und Verständnis notwendig.

KI mag allgemeine Informationen zum Thema Stillen liefern können – bei individuellen Stillproblemen aber ist KI nicht nützlich. Schlimmstenfalls ist sie sogar schädlich für Mutter und/oder Kind.

Warum Künstliche Intelligenz bei Stillproblemen gefährlich sein kann

Aus den Vorteilen einer persönlichen Stillberatung lassen sich die Nachteile der Künstlichen Intelligenz ableiten. Wir haben verschiedene Faktoren gefunden, die gefährlich sein können. Es gibt jedoch sicherlich noch weitere Faktoren.

Unzureichende Daten

Eine Stillberatung beginnt mit einer ausführlichen Anamnese. Sprich mit der Befragung der Mutter. Mit dem Ziel relevante Informationen zu Mutter und Kind zu erhalten. Informationen, die für die Lösung der Stillprobleme sehr wichtig sind. Dies sind beispielsweise Fragen zur Brust der Mutter, zur Anatomie des Mundes vom Baby, zum Stillen allgemein und weiteren Punkten. Künstliche Intelligenz besitzt diese Informationen nicht. Und auch wenn eine Mutter die KI mit sämtlichen Informationen füttern würde, die sie von sich und ihrem Baby kennt – dann wäre das Ergebnis nicht weniger gefährlich. Denn, um diese Daten auswerten zu können, braucht es eine entsprechende Ausbildung und Praxiserfahrung.

Es gibt viele Variablen, die in eine Stillberatung mit einbezogen werden müssen. Unter Umständen kann der Chatbot nicht alle relevanten Variablen erkennen. Die Basis der KI sind Daten und Algorithmen. Wenn die Algorithmen falsche Informationen berücksichtigen oder unzureichende Daten haben, dann sind auch deren Ratschläge falsch.

„Zusammenfassend – Künstliche Intelligenz kann irrelevante oder gar falsche Ratschläge liefern.“

Falsche Empfehlungen

KI kann möglicherweise nicht die individuellen Bedürfnisse oder Herausforderungen von Mutter und Kind erkennen, bzw. berücksichtigen. KI kann zum Beispiel nicht erkennen, ob ein Kind ein zu kurzes Zungenband hat. Wenn eine Mutter bestimmte Medikamente nimmt, könnte die KI empfehlen abzustillen. In Wirklichkeit gibt es jedoch viele Medikamente, die stillende Mütter trotzdem einnehmen können.

Ausbildungen wie z.B. IBCLC gewährleisten die erforderliche Praxis-Erfahrung und Qualität der Beratung. Für die Qualität Künstlicher Intelligenz gibt es diesbezüglich keine Gewährleistung.

„Künstliche Intelligenz kann daher auch aufgrund mangelnder Erfahrung falsche Empfehlungen geben.“

Fehlende menschliche Interaktion

Mütter könnten sich schwer damit tun, Künstlicher Intelligenz zu vertrauen und sich auf sie zu verlassen. Schließlich kann KI keine menschliche Beziehung oder Bindung aufbauen. Eine Mutter kann sich möglicherweise unsicher oder isoliert fühlen.

KI kann nicht die emotionale Unterstützung und den Trost bieten, den eine persönliche Stillberaterin geben kann.

Bei der Bewältigung von Schwierigkeiten oder der Überwindung von Ängsten sind dies jedoch wichtige Aspekte. Eine persönliche Stillberatung hilft auch beim Stressabbau, wozu KI nicht in der Lage ist.

Fehlende praktische Anleitung

Einer der wichtigsten Punkte bei der Stillberatung ist das richtige Anlegen. Durch das richtige Anlegen können viele Stillprobleme vermieden werden. Hierzu ist Wissen über verschiedene Anlege- und Stillpositionen erforderlich, welche wiederum eine praktische Anleitung benötigen. Dazu gehört das Begleiten von Mutter und Kind beim Stillen und Korrigieren der Anlege- und Stillposition.

Chatbots sind nicht in der Lage praktische Anleitungen zu geben. In vielen Fällen ist jedoch genau dies eine der Hauptaufgaben bei der Stillberatung. Theoretische, bzw. text-basierte Anleitungen können eine praktische Anleitung nicht ersetzen.

Unzureichende Überwachung

Wie bereits erwähnt, beginnt eine Stillberatung mit der Anamnese. Das Erheben der Daten ist damit jedoch nicht beendet. Um den Fortschritt und Erfolg des Stillprozesses beobachten und analysieren zu können, werden alle Beratungseinheiten dokumentiert.

Da Künstliche Intelligenz nicht kontinuierlich überwacht, kann sie nicht auf Veränderungen beim Stillen reagieren.

Potenzielle Gefahr für die Gesundheit

Es ist sehr wahrscheinlich, dass KI komplexe Stillprobleme, die eine sofortige medizinische Aufmerksamkeit erfordern, nicht richtig einordnet.

Eine falsche Empfehlung kann die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden. Ebenso kann ein KI-Tool eine medizinische Behandlung verzögern, wenn sie die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung nicht erkennt.

„Dies kann zu schwerwiegenden Folgen für Mutter oder Kind führen.“

Google vs. Künstliche Intelligenz

Der Bereich der Künstlichen Intelligenz ist sehr weit. Wie oben erwähnt, beziehen wir uns daher auf Chatbots. Wenn man so will, konkurrieren Chatbots mit Internet-Suchmaschinen. Dies führt uns zur Frage, worin der Unterschied liegt.

Bei beiden ist die Qualität der Daten und Algorithmen ausschlaggebend und beide haben ihre spezifischen Stärken und Schwächen. Die Funktionsweise ist jedoch grundlegend verschieden. Internet-Suchmaschinen basieren auf Algorithmen, die sich auf Keywords beziehen. Sehr vereinfacht dargestellt, jede Internetseite hat 1-2 Keywords mit der sie auf der Suchmaschine “rankt”. Die Suchmaschine liefert relevante Ergebnisse zum jeweiligen Suchbegriff. Ob diese Ergebnisse dann wirklich relevant sind, ist nicht gewährleistet. Sie mögen korrekt und relevant sein. Oder eben von schlechter Qualität bzw. falsch. Chatbots wie Chat GPT hingegen sind in der Lage natürliche Sprache zu verstehen. Genauer gesagt, sie verstehen den Kontext. Diese Art von Chatbots generieren also kontextabhängige Antworten. Zudem lernen sie ständig dazu. Stellt man genau die gleiche Frage, wird man im Laufe der Zeit höchstwahrscheinlich unterschiedliche Antworten erhalten.

Trügerische Sicherheit Künstlicher Intelligenz bei der Stillberatung

Bei Internetsuchmaschinen ist uns bewusst, dass die Ergebnisse unterschiedlicher Qualität oder vollkommen irrelevant sein können. Bei Chatbots ist die Situation bissl komplexer. Sie sind tatsächlich in der Lage auf viele Fragen sehr kompetente Antworten zu geben.

Die trügerische Sicherheit besteht nun darin, dass Mütter davon ausgehen könnten, die von der KI gelieferten Informationen seien immer korrekt und vollständig. In der Folge verlassen sich die Mütter komplett auf die KI und verzichten auf Ratschläge erfahrener Stillberaterinnen. Die Folgen können gefährlich sein – für Mutter und Kind.


Fazit

Künstliche Intelligenz mag in vielen Lebensbereichen eine sinnvolle Unterstützung bieten. Wenn es um das Management von individuellen Stillproblemen geht – bitte Hände weg von Chatbots. Künstliche Intelligenz ist aus oben angeführten Gründen nicht in der Lage eine persönliche Stillberatung zu ersetzen.

Hier lautet die ganz klare Aufforderung, eine qualifizierte Stillberatung aufzusuchen. Dies empfiehlt übrigens auch der Chatbot selbst.

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Von Daniela & David

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